Bericht vom STUBAI BASICTRAIL Berglauf am 01.07.2017

 

von Kai-Uwe Ulrich, DAV Sektion Dresden und MSV Meusegast

 

 

Drei – zwo – eins – Startschuss! Der Vorsitzende des Tourismusverbandes Stubai Tirol schickt etwa 240 Läuferinnen und Läufer in Neustift i.St. auf die Strecke. Die Spitze spurtet los wie bei einem Straßenrennen, der Pulk folgt auf den Fersen. Ein gewöhnlicher Volkslauf? Mitnichten. Jeder Teilnehmer hat einen mehr oder weniger auffälligen Rucksack umgeschnallt, und drei von vier Läufern führen Trekking-Stöcke mit. Beim Zugang in den Startbereich muss ich den Inhalt meines Trinkrucksacks vorzeigen, denn folgende Utensilien sind Pflicht: mind. 1 Liter Getränk, Trinkbecher, Sportlernahrung mit persönlicher Startnummer auf der Verpackung, Erste-Hilfe-Set, Rettungsfolie, Signalpfeife, Blasenpflaster, Mütze, Handschuhe, Regenjacke, lange Kleidung, Mobiltelefon, Streckenkarte oder GPS-Track.

 

Vor uns erstrecken sich die dicht bewaldeten Bergflanken des Stubaitals, die Bergrücken sind von Wolken gesäumt. Die Sonne scheint, durch die Abkühlung der vergangenen Tage herrscht ideales Laufwetter. Von der Gletscherwelt und dem Neuschnee am Alpenhauptkamm ist nichts zu sehen. Aber genau dorthin wird der Lauf uns führen. Vor dem Startschuss wird mitgeteilt, dass das Ziel von der Jochdohle, Österreichs höchst gelegenem Restaurant (3.150 m), zur Bergstation der Eisgratbahn um 250 Höhenmeter nach unten verlegt wird. Damit verkürzt sich die Laufdistanz um jene 1,5 km, die auf Neuschnee über den Gletscher führen sollten.

 

Gleich nach der Überquerung der Stubaitalstraße wird die Route zum Bergpfad, der sich in Serpentinen rund 100 Höhenmeter den Hang hinaufwindet, hangparallel durch den Bergwald zieht, um wenig später über eine Almwiese wieder zur Talsohle hinabzuführen. Dieses ständige Auf und Ab wiederholt sich ein paar Mal, dabei sind steinige Furten zu queren, Wasserfälle zu bestaunen und Weidewiesen mit genüsslich den Pfad belagernden Kühen zu passieren. Diese erweisen sich als sehr friedlich und bleiben entspannt liegen. Ebenso wie die Kurgäste, die sich auf Liegebänken vor dem Grawa-Wasserfall sonnen und mir auf mein zugerufenes Angebot zum Aktivitäten-Tausch nur den Vogel zeigen. Ein besonders schönes Teilstück führt den Wilde-Wasser-Weg im engen Korkenzieher-Zickzack hinab zur Ruetz und ihre Klamm entlang flussaufwärts. Am Wegesrand erblicke ich Knabenkräuter und einen Scheckenfalter. In den Bäumen krächzt ein Tannenhäher. Kinder klatschen Beifall und feuern uns an. Mit frischer Kraft winke ich zurück. Dann passieren wir nach der Doadler Alm schon die zweite Verpflegungsstation an der Tschangelair Alm. Das Angebot an Getränken und Snacks ist groß, mein Magen klein und die tickende Uhr der Antreiber. Also fix den mitgeführten Faltbecher mit Wasser-Cola-Gemisch befüllt, stückchenweise Kuchen und Banane gegriffen und weiter geht die Hatz.

Was ist das Rezept für meine erfolgreiche erstmalige Teilnahme an einem alpinen Berglauf? Drei Dinge müssen stimmen: Das vorbereitende Training, Selbstvertrauen, und Akklimatisation. Für letztere nutzte ich das Angebot der DAV Sektion Dresden, an einem Arbeitseinsatz an der Dresdner Hütte (2.307 m) in der Woche vor dem Lauf teilzunehmen. Dass wir in diesem Zuge die Bergpfade der Laufstrecke und den neu verlegten Wanderpfad ausbessern, beschildern, markieren und eine kleine Brücke bauen, ist ein willkommener Nebeneffekt. So kann ich den Aufstieg von der Mutterbergalm bis zum Eisgrat vorab testen. Zur Vorbereitung in Dresden lief ich acht Mal hintereinander durch den Tiefen Grund auf den Borsberg, und erlief von mehreren Seiten den Großen Winterberg in der Sächsischen Schweiz. Mit einer Trainingseinheit von über drei Stunden kamen so locker 1.500 Höhenmeter zusammen. Das musste genügen, denn mehr Zeit konnte ich nicht erübrigen. Mit erfolgreicher Teilnahme am Froschlauf in Biehla und zwei Tage danach am Sachsenlauf in Coswig (29,8 km) testete ich meinen Trainingsstand und zog das Fazit, optimal vorbereitet zu sein. Gesundes Selbstvertrauen ist meiner Meinung nach der wichtigste Schlüssel zum Erfolg.

 

Nach 2:22 Stunden erreiche ich den V-Punkt an der Talstation der Gamsgarten-Bahn, wo ich meinen mitgeführten Haferriegel futtere. Mein Rucksack muss leichter werden, denn jetzt geht es im strammen Marsch den alpinen Steig zur Dresdner Hütte hinauf. Am Vortag erklomm ich diese Etappe in 38 Minuten. Das ist heute nicht mehr drin. Eingeteilt als Streckenposten bemerkt unser Bergfreund Jochen gleich, dass ich zu schnell in den Berg eingestiegen bin. Da hat er Recht. Nach der Hälfte muss ich dem Anfangstempo Tribut zollen und werde gleich von mehreren Läufern wieder überholt. An der Dresdner Hütte ist der nächste V-Stand aufgebaut. Auch dort sind Kameraden der DAV-Sektion Dresden als Helfer im Einsatz. Unser Claus bringt mir gleich eine Suppe, während ich meine Wintertights überstreife, denn von hier an sind lange Hosen Pflicht. Mit dem Verzehr von ein paar festen Happen und Getränken vergehen fünf Minuten wie im Flug. Die werden mir später fehlen, doch Energie-Tanken ist notwendig.

 

Nun folgt die schönste, da richtig alpine Etappe über den matschigen Wasserfall-Pfad steil hinauf zum Kapellenstein und entlang des neu geführten Bergpfads über Stock und Stein und alpine Matten hinüber zum Stausee der Beschneiungsanlage. Der folgende Aufstieg zum Eisgrat hat es in sich. Hinter der am Dienstag erst gezimmerten Brücke über den Bach begrüßt mich ein Schneemann, erbaut von unseren Streckenposten. Ihnen allen gilt mein besonderer Dank, denn ohne ihr unermüdliches Ausharren über zehn Stunden entlang der Laufroute bis zum Eisgrat und ihren Zuspruch für die abgekämpften Bergläufer hätte es manch einer vielleicht nicht bis nach oben ins Ziel geschafft. Da wird auch mal privat eine Laufhose ausgeliehen und die Schlussläuferin zu ihrer Sicherheit bis ins Ziel begleitet.

 

Ich bin nur noch etwa 100 Höhenmeter vom Ziel entfernt, da beginnt es zu graupeln und zu schneien. Ich beschließe, mich lieber warm zu halten und streife die mitgeführte Regenjacke über. Was soll’s, auf diese eine Minute kommt es nun auch nicht mehr an. Nahe der Eishöhle folgt der Schlussanstieg zur Bergstation, hinter der das Ziel aufgebaut ist. Hurra, nach 4:17:31 Stunden hüpfe ich vergnügt durch das Zieltor. Ich bin stolz auf diese Leistung und genieße meine Tränen der Rührung und Erleichterung, ohne Sturz, Blessuren, Blasen, Muskelkrämpfe oder andere Wehwehchen angekommen zu sein. Tja, und das nächste Mal muss es aber auch noch über den Gletscher gehen, denn die Jochdohle habe ich nun immer noch nicht gesehen...

 

Auch unsere beiden Bergfreunde Torsten Siegemund und Reimar Rennecke laufen nach 5:15:49 bzw. 5:44:05 Stunden überglücklich durchs Ziel. O-Ton Reimar: „Für mich stand der Genuss des grandiosen Panoramas entlang der Laufstrecke im Vordergrund; gesund im Ziel anzukommen ist die Hauptsache.“ Mal sehen, vielleicht findet sich ja im kommenden Jahr ein Team der Sektion Dresden das sich den STUBAI ULTRATRAIL zutraut.